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Kürzlich hatte ich das große Vergnügen, erneut einen Vortrag des österreichischen Humangenetikers Markus Hengstschläger zu hören. »Magisch« angezogen hat mich seine Beschreibung von »Talent« – einem Wort, das ich mich weigere, zu benutzen. Wenn, dann ist es für mich eine Fähigkeit, die man durch viel Üben und Konsequenz fördern kann. Wen es interessiert: Mehr darüber in einer anderen Bloggeschichte oder im englischen Buch »Talent is overrated« von Geoff Colvin.
Markus Hengstschläger hat den genetischen Unterschied von 0,1 Prozent, das jeden Menschen vom anderen unterscheidet – übrigens auch von Affen – als »Talent« definiert. Das individuelle genetische Rüstzeug, das jemand mitbekommt – oder nicht. Somit ersetzte er das Wort »Talent« mit Individualität und schon wird daraus ein Schuh. Oder ein Plan für die Zukunft: Wenn jeder seine Individualität einbringt, werden wir ein wunderbar bunter Haufen. Dann können wir auch der Zukunft munter entgegenblicken, weil wir mit so vielen unterschiedlichen Werkzeugen ausgestattet sind, um jede Situation zu bewältigen. „Ja, aber“ wird dann zu „Ja, irgendjemandem wird etwas dazu einfallen“.
Um diese individuellen, angeborenen Fähigkeiten zu nutzen und zu optimieren, braucht es die entsprechende Ausbildung. Eine Ausbildung, die uns unser aktuelles Schulsystem nicht mehr bieten kann. Richard David Precht fordert in seinem Buch: »Anna, die Schule und der liebe Gott« eine Bildungsrevolution – keine weitere Reform. Denn unser System Schule basiere auf einem preußischen Ausbildungssystem, für Befehle empfangsbereite Soldaten heranzuziehen. Lernen wurde zu keiner lösungsorientierten WISSENSabfrage, sondern zur Gedächtnisprüfung. Dabei sind es die Querdenker, die scheinbar unmögliche Probleme durch andere Herangehensweisen lösen. Henry Ford soll einmal über die Erfindung des Autos gesagt haben: »Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: Schnellere Pferde.« Ähnlich hat es angeblich Albert Einstein formuliert: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« Und wenn wir alle durchschnittlich dasselbe lernen, wird keiner von uns seine angeborenen Fähigkeiten ausleben geschweige denn entdecken können. Das geht nur durch Stärken stärken.
Doch zurück zur Individualität, beziehungsweise zum »Talent«. Markus Hengstschläger hat eine weitere Frage in den Raum gestellt: Wen bezeichnen wir als »Talent«? Einen besonders erfolgreichen Musiker, einen mehrfachen Formel-1-Weltmeister? Oder einen Menschen, die für unsere Gesellschaft oder die Lösung der Probleme unserer Gegenwart und Zukunft etwas beträgt? Wie zum Beispiel jemanden, der in der Pflege arbeitet oder ein Lehrer, der seine Schüler ermutigt, neugierig zu bleiben?